10. SONNTAG im Jahreskreis

Evangelium nach Lukas (7,11-17)

Dieses Evangelium hat in mir einige Fragen aufgerufen! Warum erzählt der Evangelist Lukas (und zwar als Einziger) dieses Ereignis von einer Totenerweckung in Nain? Will er etwas Sensationelles berichten und Jesus als einen großen Wundertäter darstellen? Und wenn schon: Was haben wir heute davon? Das ist schon 2000 Jahre her. So etwas geschieht heute nicht mehr. Also nur ein Kuriosum aus der Vergangenheit, das weiter keine Rolle mehr spielt?

Da bin ich bei diesem Satz hängengeblieben, wo Lukas über das Volk sagt: „Sie priesen Gott und riefen: »Ein großer Prophet ist unter uns aufgetreten! Gott selbst ist seinem Volk zu Hilfe gekommen!« Das ist der Kern der Sache! Sie preisen Gott und erkennen, dass Gott in diesem Jesus handelt, den sie deswegen einen „großen Propheten" nennen. Eigentlich will Lukas mit dieser Erzählung etwas über Gott aussagen, der in und durch Jesus aktiv geworden ist. Gott zeigt sich hier exemplarisch als ein Gott, dem das Schicksal der Menschen nicht gleichgültig ist. Er hat Mitleid mit dieser Witwe.

Die Witwe von Nain war „ganz unten“. Nicht nur die Trauer über ihren Sohn drückte sie nieder, sondern auch ihre künftige soziale Situation, da ihre Altersversorgung, ihr Sohn, nicht mehr da war. Als Mensch in der damaligen Zeit lag sie wirklich am Boden. Und Gott richtet sie wieder auf, in und durch Jesus. Er zeigt sich als ein Gott, der nicht nur Macht hat über Leben und Tod hat, sondern auch ein Herz für die Menschen.

Jesus wird von den Menschen deswegen ein großer Prophet genannt. Gott hat schon durch andere Propheten gesprochen und gehandelt. Ein Beispiel haben wir in der ersten Lesung aus dem Alten Testament (d.h. aus der Bibel der Menschen und von Jesus damals) gehört. Vom Propheten Elia wird erzählt, wie er - als „Mann Gottes“ - auch den Sohn einer Witwe zurück ins Leben gerufen hat. Aber es gibt da einen großen Unterschied: Elia stellt umständliche, rituelle Handlungen (zur Wiederbelebung legte er sich dreimal auf den Leichnam des Kindes) und ruft dabei ausdrücklich Gott zur Hilfe an. Bei Jesus ist das anders: Keine umständlichen Handlungen. Er spricht nur ein Wort: „Steh auf!“ und es geschieht. So wie Gott bei der Schöpfung ein Wort sprach, und es geschah. Auch der römische Offizier im Evangelium vom letzten Sonntag sagt: „Sprich nur ein Wort und mein Diener wird gesund“. Auch er mutet Jesus göttliche Kraft und Autorität zu. Und auch im heutigen Evangelium zeigt Jesus diese göttliche Autorität. Da fallen mir Aussagen von Jesus ein: „Wer mich sieht, sieht den Vater. Der Vater und ich sind eins.“ Jesus überbietet die alten Propheten, diese „Männer Gottes“, und um das zu betonen, wird man ihn später deswegen auch „Sohn Gottes“ nennen. In dieser Erzählung formuliert Lukas es auch so: „Als der Herr die Witwe sah, ergriff ihn das Mitleid.“ „Der Herr“ ist im Alten Testament ein Titel, den man dort für Gott verwendet.

Zusammenfassend könne wir also sagen: In dieser Erzählung will der Evangelist Lukas uns etwas über Gott sagen, wie er zu uns steht, ein Herz für uns hat und das in der Person von Jesus zeigt. Er, der Gott, der Herr über Leben und Tod, lässt uns nicht fallen. Er steht zu uns und sogar der Tod kann das nicht verhindern. Hier wird wahr, was der Prophet Jesaja schon gesagt hat: „Er beseitigt den Tod ... Gott, der Herr, wischt die Tränen ab von jedem Gesicht." (Jes. 25,8). So ist Gott. So hat er sich in Jesus gezeigt. Das ist die gute Nachricht, die frohe Botschaft, die Lukas uns, mit Hilfe dieser Erzählung vom jungen Mann aus Nain, vermitteln will.

„Gott kennt kein Erbarmen“, so klagen seit jeher Menschen, die sehr großes Leid erfahren oder das Leid anderer miterleben. Das Schweigen Gottes zur Not auf Erden ist für viele Menschen der tiefste Grund, warum sie meinen, nicht glauben zu können. Diese Erzählung will uns Mut machen, an einen Gott zu glauben, der - trotz allem äußeren Schein - zu uns steht.

Es geht hier also nicht um ein Geschehen aus der Vergangenheit. Es geht um Gott und um das, was er für uns auch heute bedeuten kann. Und da fühle ich mich betroffen. Da wird einem warm ums Herz. Das ist wirklich eine frohe Botschaft für mich, für uns alle.

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